Online-Fachtagung des Forschungsprojektes StraInQ
Soziales Zusammenleben im Quartier stärken - Kultursensible Räume, Teilhabe und Antidiskriminierung
Wie werden öffentliche Räume in vielfältigen, städtischen Quartieren durch unterschiedliche Bewohnergruppen wahrgenommen und genutzt? Welche Räume und Infrastrukturen wirken gemeinschaftsfördernd und an welchen Orten werden sozialräumliche Konflikte erkennbar? Was sind geeignete Strategien zur Förderung des nachbarschaftlichen Zusammenlebens und dem Abbau von Diskriminierung?
Das Forschungsprojekt StraInQ – „Strategien und Instrumente des sozialen Zusammenlebens im Quartier zur Integration besonders benachteiligter Bevölkerungsgruppen“ geht diesen Fragen am Fallbeispiel des Märkischen Viertels in Berlin und einem Wohnprojekt für ehemals obdachlose Rom:nja-Familien nach. Unter der Leitung des ISP - Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der FH Erfurt und in Kooperation mit dem Integrationsbüro des Bezirksamtes Reinickendorf, dem sozialen Träger Aufwind e.V. sowie dem Wohnungsunternehmen Gesobau AG wurden aus den Untersuchungen vor Ort Handlungsempfehlungen für eine kultursensible Transformation städtischer Quartiere abgeleitet (Schrift im PDF-Format).
Im Rahmen der Fachtagung „Soziales Zusammenleben im Quartier stärken - Kultursensible Räume, Teilhabe und Antidiskriminierung“ wurden die aus dem Forschungsprojekt gewonnenen Empfehlungen vorgestellt und gemeinsam mit Teilnehmer:innen aus Wissenschaft und Praxis diskutiert. Dabei lag der Fokus zum einen auf der Frage nach den Möglichkeiten städtischer Planung zur Förderung sozialen Zusammenlebens im Quartier. Zum anderen widmete sich die Fachtagung explizit der Gruppe der Rom:nja und ihrer gesellschaftlichen Teilhabechancen.
Die im Projekt entwickelten Handlungsempfehlungen für eine kultursensible Transformation städtischer Quartiere sowie die Keynote von Prof. Dr. Peter Dirksmeier, Universität Hannover, zu Determinanten und Mechanismen des sozialen Zusammenhalts in urbanen Nachbarschaftenbilden bildeten dafür den Rahmen. Die Themen des Forschungsprojektes wurden anschließend in drei Fachforen durch Impulsvorträge von externen Expert:innen bereichert und gemeinsam mit den Teilnehmer:innen diskutiert (siehe Tagungsprogramm).
Informationen
Datum
14.10.2022, 10-15 Uhr
Programm zur Online-Fachtagung
„Soziales Zusammenleben im Quartier stärken - Kultursensible Räume, Teilhabe und Antidiskriminierung“
09:30 Uhr - Freischaltung des Meeting-Rooms
Digitale Ankunft und Zugang zum Videokonferenzsystem
10:00 Uhr - Begrüßung durch die Projektleitung und den Bezirksbürgermeister Reinickendorf
Prof. Dr.-Ing. Heidi Sinning, Leiterin des ISP - Instituts für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der FH Erfurt
Uwe Brockhausen, Bezirksbürgermeister Reinickendorf Berlin
10:15 Uhr - Keynote: Urbaner Raum und sozialer Zusammenhalt – Implikationen einer komplexen Relation
Prof. Dr. rer. pol. Peter Dirksmeier, Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie, Leibniz Universität Hannover
11:00 Uhr - Sozialen Zusammenlebens im Quartier stärken – Einblicke in die Ergebnisse des Forschungsprojektes StraInQ
Prof. Dr.-Ing. Heidi Sinning und Johannes Glöckner
ISP - Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der FH Erfurt
11:45 Uhr - Pause
12:15 Uhr - Thematische Fachforen
Fachforum 1: Begegnung und Zusammenleben im Quartier
Einführung und Moderation: Prof. Dr. Heidi Sinning (ISP)
- Die Menschen wollen bekannte Gesichter haben und nicht hundertmal ihre Geschichte neu erzählen – (Organisierte) Begegnung im Kontext von Diversität und Fluktuation.
Felix Leo Matzke, ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH - Öffentliche Räume als Orte der Begegnung.
Dr. Ulrich Berding, plan zwei Stadtplanung und Architektur GbR - Das Leben braucht ein Zuhause. Wohnen und Leben zusammendenken.
Helene Böhm, Gesobau AG
Fachforum 2: Teilhabe und Partizipation von Rom:nja
Einführung und Moderation: Johannes Glöckner (ISP)
- Gemeinwesenarbeit zur Stärkung lokaler Demokratie und des sozialen Zusammenlebens.
Prof. Dr. Milena Riede, Hochschule für angewandte Pädagogik - Sehen Lernen: Teilhabe und Selfempowerment von Rom:nja in Deutschland
Renata Horvathova und Kathrin Krahl, RomaRespekt - Teilhabe und Empowerment –Rom:nja im Märkischen Viertel - Ein praktischer Einblick.
Dr. Esther Quicker und Zvonko Salijevic, Aufwind e.V.; Daniel Grunier, Integrationsbüro Reinickendorf Berlin
Fachforum 3: Antiziganismus und Antidiskriminierung
Einführung und Moderation: Julia Stadtfeld (Integrationsbüro Bezirksamt Reinickendorf, Berlin)
- Zum Verhältnis von Antiziganismus und Sozialer Arbeit.
Dr. Markus End, Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin - Berliner Strategien zur Prävention von Antiziganismus/ Rassismus gegen Sinti:zze und Rom:nja.
Aline Illigens, Vivien Laumann, Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung, Berlin - Institutionelle Integrationsbarrieren zugewanderter Roma aus Südosteuropa.
Verena Lehmann, Beratungsstelle für gleichberechtigte Teilhabe und Antiziganismusprävention, Verband Deutscher Sinti & Roma Landesverband Baden-Württemberg e.V.
14:00 Uhr - Pause
14:10 Uhr - Ergebnissynthese im Plenum
Prof. Dr.-Ing. Heidi Sinning und Johannes Glöckner, Institut ISP,
Julia Stadtfeld, Integrationsbüro Bezirksamt Reinickendorf, Berlin
14:40 Uhr - Abschluss der Tagung und Ausblick
Zusammenfassung der Fachtagung
Ziel der Online-Fachtagung „Soziales Zusammenleben im Quartier stärken – kultursensible Räume, Teilhabe und Antidiskriminierung“ war die Präsentation und Diskussion der Ergebnisse des Forschungsprojektes StraInQ sowie vertiefende Einblicke und der Austausch mit Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis zu den Themenbereichen „Begegnung und Zusammenleben im Quartier“ (Fachforum 1), „Teilhabe und Partizipation von Rom:nja“ (Fachforum 2) und „Antiziganismus und Antidiskriminierung“ (Fachforum 3). Nach einer einleitenden Begrüßung der Teilnehmer:innen durch die Projektleiterin Prof. Dr. Heidi Sinning betonte Uwe Brockhausen als Bezirksbürgermeister von Reinickendorf, Berlin in seinen Grußworten die große Bedeutung und Aktualität des Themas der Fachtagung und die Wichtigkeit einer engen Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis, wie sie seit vielen Jahren zwischen dem Integrationsbüro des Bezirksamtes und dem Forschungsinstitut ISP – Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der FH Erfurt besteht.
Die anschließende Keynote von Prof. Dr. rer. pol. Peter Dirksmeier von der Leibniz Universität Hannover widmete sich den Theorien, Determinanten und Mechanismen der Relation sozialen Zusammenhalts und urbaner Räume. Auf Grundlage aktueller empirischer Untersuchungen des FGZ – Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt zeigte Herr Dirksmeier die Wechselbeziehung zwischen sozialem Zusammenhalt und urbanen Nachbarschaften auf. Die inhaltliche Vertiefung geschah über drei parallel stattfindende Fachforen mit unterschiedlichen Impulsen und Referent:innen.
Fachforum 1 richtete unter dem Titel „Begegnung und Zusammenleben im Quartier“ den Blick zunächst auf organisierte Begegnungen. Denn Begegnungen im Quartier erfolgen nicht nur spontan und zufällig im öffentlichen Raum, sondern auch im Rahmen organisierter Begegnungen (z.B. in Gemeinschaftseinrichtungen, Gemeinschaftsgärten, öffentlichen Einrichtungen). vor allem im Rahmen der Begegnungsarbeit durch Stadtteilorganisationen. Auf Grundlage aktueller Forschungsergebnisse zeigte Herr Felix Matzke vom ILS – Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH u.a. die hohe Bedeutung von Begegnungsarbeit durch Stadtteilorganisationen zur Förderung des sozialen Zusammenlebens in diversen Stadtquartieren auf.
Die Bedeutung spontaner Begegnungen in öffentlichen Räumen und verschiedene Möglichkeiten zur Qualifizierung öffentlicher Freiräume als Orte der Begegnung waren Inhalt des zweiten Impulsvortrages von Herrn Dr. Ulrich Berding, plan zwei Stadtplanung und Architektur GbR. Im dritten Impulsvortrag dieses Fachforums widmete sich Frau Helene Böhm von der Gesobau AG aus dem Blickwinkel der Wohnungswirtschaft praktischen Fragen in Bezug auf das soziale Zusammenleben in Quartieren, wie dem Märkischen Viertel in Berlin. Sie berichtete u.a. von den aktuellen, umfangreichen Umgestaltungen der Außenräume im Märkischen Viertel zur stärkeren Nutzbarkeit für die Bewohner:innen.
In Fachforum 2 wurde sich dem Thema der sozialen und politischen „Teilhabe und Partizipation von Rom:nja“ sowie anderen schwer erreichbaren Gruppen gewidmet. Den Auftakt bildete der Impulsvortrag von Prof. Dr. Milena Riede von der Hochschule für angewandte Pädagogik Berlin zu Potentialen der Gemeinwesenarbeit für die Förderung lokaler Demokratie und des sozialen Zusammenlebens. Im Hinblick auf die Einbindung beteiligungsferner Gruppen betonte sie dabei die Bedeutung diversitätssensibler Partizipationsmöglichkeiten. Frau Horvathova und Frau Krahl von der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen berichteten im zweiten Impulsvortrag von Ihrer Arbeit im Projekt RomaRespekt. Über Ausstellungen, Interviews und die Vernetzung mit Rom:nja-Selbstorganisationen werden über kommunikative und kooperative Instrumente die Bedarfe teilweise stark marginalisierter Personen sichtbar gemacht. Der abschließende Impuls von Frau Dr. Esther Quicker, Herrn Zvonko Saljevic von Aufwind e.V. und Herrn Daniel Grunier vom Integrationsbüro Reinickendorf warfen den Blick auf die im Märkischen Viertel lebenden Rom:nja und das integrative Wohnprojekte „Wohnen und Leben im Märkischen Viertel“. Zentrale Herausforderungen in Bezug auf die sozialen und politischen Teilhabechancen der Familien wurden mit Beispielen aus anderen Städten verdeutlicht und die Bedeutung qualitativer (nicht nur flüchtiger) Begegnungsmöglichkeiten zur Förderung längerfristiger, gruppenübergreifender Kontakte unterstrichen.
Fachforum 3 vertiefte die Themen „Antiziganismus und Antidiskriminierung“. Der Impulsvortrag von Herrn Dr. Markus End, vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin, ging dem Verhältnis der sozialen Arbeit zum Thema Antiziganismus nach und formulierte Anforderungen an eine diskriminierungssensible soziale Arbeit. Dabei sollten eigene Machtpositionen hinterfragt, die Ethnisierung sozialer Probleme vermieden und soziale Einrichtungen darin bestärkt werden, antiziganistische Vorbehalte abzubauen. Im zweiten Impulsvortrag berichteten Frau Alina Illigens und Frau Vivien Laumann aus der Perspektive der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung von aktuellen und zukünftigen Strategien sowie Programmen zum Abbau von Antiziganismus. Mittelfristig sollen so ressortübergreifende Handlungsstrategien entwickelt werden, um bestehende Programme und Anlaufstellen stärker miteinander zu vernetzen. Der dritte Impulsvortrag behandelte insbesondere die kulturellen Zuschreibungen gegenüber Rom:nja, ihrer sozialen sowie finanziellen Situation und Sichtbarkeit. Frau Verena Lehmann vom Verband Deutscher Sinti & Roma (Landesverband Baden-Württemberg e.V.) hob dabei u.a. den Staatsvertrag Baden-Württemberg als erfolgreiche Maßnahme hervor, um die Wissensvermittlung zum Leben der Rom:nja in den schulischen Lehrplänen zu verankern und eine frühzeitige Sensibilisierung unter Kindern zu fördern.
In den drei Fachforen fanden nach den Impulsvorträgen rege Diskussionen und Austausch zu bestehenden Erfahrungen aus Praxis und Wissenschaft statt. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Zusammenfassung der Ergebnisse aller drei Fachforen durch die Moderierenden.
Handlungsempfehlungen aus dem Forschungsprojekt StraInQ
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes StraInQ in Form von Handlungsempfehlungen für eine kultursensible Transformation städtischer Quartiere wurden auf der Fachtagung präsentiert und gemeinsam mit den Teilnehmer:innen diskutiert.
Die entsprechende Publikation können Sie hier herunterladen: Schrift im PDF-Format